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Frau Holle - Vom Wechsel der Jahreszeiten

Aktualisiert: 4. Apr. 2021

Mythen, Sagen und Zaubermärchen


Alte Zaubermärchen werden heute meist als moralisierende, raum- und zeitlose "Es war einmal..." Phantasiegeschichten hingestellt wo das Gute letztendlich über das Böse obsiegt. Aus unserer derzeitigen gesellschaftlich- kulturellen Denkweise heraus, die sich nach Realitäten sehnt, die kausal erklärbar sind, durchaus verständlich. Hier bin ich, dort ist die Realität – stets sauber getrennt und wenn, dann nur in rein kausaler Beziehung miteinander verbunden.

Betrachtet man die alten Zaubermärchen aus einem mythologischen Blickwinkel, wird erkennbar, dass diese Märchen keine Phantasiegeschichten mit moralisierendem Anspruch sind, sondern Beschreibungen von Wirklichkeiten in einer sehr bildhaften Sprache. Unter Wirklichkeit verstehe ich in diesem Zusammenhang den fortlaufenden schöpferischen Prozess aus einem (emotionalen, seelischen) Wirken heraus. Zaubermärchen gestatten uns einen wunderbaren Blick zurück in die Welt unserer Ahnen und ihren Mythen, eine beseelte Welt mit einer respektvollen Mansch-Natur-Beziehung.


Diese Blogreihe über Mythen, Sagen und Volksmärchen soll als Versuch verstanden werden, den mythologischen Gehalt alter Volksmärchen und Sagen herauszuarbeiten und zu interpretieren und nicht als allgemein gültige Wahrheit. Es ist meine Wirklichkeit, die aus meinem Wirken heraus entsteht.


Frau Holle | Mythen und Volksmärchen | Raum und Mensch

Frau Holle:

Vom Wechsel der Jahreszeiten


Wer es noch nie bzw. schon lange nicht mehr gelesen hat, oder einfach wieder mal nachlesen möchte.


Frau Holle ist eines der bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm. Wenn es im Winter schneit hört man häufig „Frau Holle schüttelt wieder kräftig ihr Federbett“. Dabei schüttelt es Frau Holle nicht sondern immer eins der zwei Mädchen. In unserer aktuellen, dualistisch geprägten Gesellschaft wird es moralisch interpretiert. Die fleißigen werden belohnt und die faulen werden bestraft. Es steckt aber ein viel tieferer Sinn in dem Märchen.


In diesem Märchen begegnen uns wieder einige klassische Symbole der Mythologie. Zum einen der Brunnen, ein Symbol für die Verbindung der diesseitigen Welt mit der Jenseitigen. Der Brunnen ist ein Portal für die Seelen der Verstorbenen in das Paradies und wieder zurück. Es gab und gibt immer noch zahlreiche Brunnen und heilige Quellen, die von Frauen mit Kinderwunsch aufgesucht wurden und werden.


Frau Holle (abgeleitet von der Göttin Hel, die über das verborgene Reiche der Unterwelt regiert) wird als alte, furchteinflößende Frau beschrieben. Sie steht hier für den schwarzen Aspekt der großen Göttin, der Hüterin über die untere Welt, mit der Urkraft der Transformation steht sie für den ewigen Wandel. Dann die Farbe Gold als Farbe des Sommers und Schwarz für die Farbe der dunklen Jahreszeit, dem Winter.


Im Märchen selbst hat eine Witwe zwei Töchter, eine hübsche und fleißige, die alle Arbeit verrichten muss und eine hässlichere und faule die nicht viel fürs Arbeiten übrig hat. Hier steht die hübsche für den Sommer. Im Sommer steht die meiste Arbeit an, die erledigt gehört. Die hässlichere steht für den Winter. Im Winter ruht die Arbeit, es bleibt nicht viel zu tun.


Eines Tages fällt der fleißigen Tochter bei der Arbeit mit dem Spinnrad die Spindel in den Brunnen. Die Spindel ist im Übrigen in der Mythologie auch ein klassisches Symbol für eine Weltenachse. Um die Mitte dreht sich der immerwährende Zyklus und die vertikale steht für die Verbindung der Welten. Die Spindel steht auch für den Schicksalsfaden, der damit gesponnen wird.

Auf Geheiß der Mutter muss sie die Spindel wieder raufholen. So springt sie aus Verzweiflung in den Brunnen, verliert das Bewusstsein und wacht im Paradies wieder auf. Der Sommer ist in die untere Welt verschwunden und auf der Erde herrscht der Winter, die dunkle Jahreszeit. Im Paradies oder der unteren Welt, dem Reich der Göttin Hel verrichtet das Mädchen wie gewohnt ihre Arbeit, und schüttelt auch immerfort das Bett von Frau Holle, so dass es auf der Erde – wo jetzt ja Winter ist – kräftig schneit. Mit dem Lauf der Zeit bekommt sie Heimweh. Frau Holle entlässt sie und als Belohnung wird sie beim Durchschreiten des Portals (zurück auf die Erde) mit Gold überschüttet. Jetzt kommt nach dem Winter der Sommer zurück.


Die Witwe lässt nun auch ihre Lieblingstochter, die faule und hässlicher, in den Brunnen springen, damit auch sie reichlich mit Gold belohnt wird. Doch sie ist auch im Paradies faul, verrichtet ihre Arbeit nur ungern und mehr schlecht als recht.

Das Bett von Frau Holle schüttelt sie nur zu Beginn, später kaum noch. So soll es ja auch sein. Sie repräsentiert den Winter – wo die Arbeit ruht. Auf der Erde herrscht jetzt der Sommer. Sie schüttelt das Bett nur ganz zu Beginn – so schneit es im Frühjahr noch manchmal. Später schüttelt sie es gar nicht mehr – im Hochsommer wird es auf der Erde nicht mehr schneien. Als sie das Portal zurück auf die Erde durchschreitet wird sie mit Pech überschüttet – als Symbol für die Farbe Schwarz und für den Winter, der jetzt auf die Erde zurückkehrt. Der Sommer taucht wieder in die Unterwelt ab und wird die Betten der Frau Holle kräftig schütteln… der ewige Zyklus der Jahreszeiten.


Das Märchen zeigt uns symbolisch den Lauf der Jahreszeiten, vom immerwährenden Wechsel zwischen Sommer und Winter, Schaffen und Ausruhen, Sterben und Werden. Es beschreibt aber auch den Weg der Seelen über das Portal (hier der den Brunnen) in das Paradies und all den Erfahrungen, die sie dort machen darf, bis sie wieder bereit ist für eine neue Inkarnation auf der Erde.

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